Markus Schneider - Das tapfere Schneiderlein

Wein für alle. Das will Markus Schneider. Dem Pfälzer Winzer gelingt das Kunststück vor allem bei roten Sorten. Auch wenn das den erhabenen Weinkritikern nicht gefällt – Schneider hat den deutschen Wein einem jungen Publikum erst zugänglich gemacht.

Ein langer, markant dunkler Bau, der sich am Rande des kleinen pfälzischen Ellerstadt inmitten von Rebzeilen erhebt. Darin alles, was man zum Weinmachen braucht. Wenn es nach ihm ginge, dann habe er jetzt genug aufgebaut, meint Markus Schneider - der ein wenig wirkt, wie eine durch den Jungbrunnen gegangene Version des Räuber Hotzenplotz.

Ende Juni erst hatte er mit einem rauschenden Fest die Fertigstellung des letzten Bauabschnitts seines Weinguts gefeiert, endlich die Vollendung des 2001 begonnenen und mit dem ersten Ausbau 2007 bis 2008 weitergeführten Projekts namens „angemessenes Weingut.“. Von der Kelter über den Verkostungsraum, bis hin zum im strengen Betonraster gestaltete Archiv befindet sich nun alles unter diesem einen Dach. Große Architektur und Ausdruck jener speziellen Identität, die das Weingut Markus Schneider heute auszeichnet.

Markus Schneider hat seit der Übernahme des elterlichen Weinguts den Wandel vom einfachen Traubenproduzenten hin zum direktvermarktenden Flaschenweinproduzenten geschafft. Mit dem Anspruch Spitzenweine zu erzeugen und diesen eine klar wiedererkennbare Form zu geben:

Etiketten mit einer reduzierten, doch kraftvolle Typografie – die nebenbei bemerkt in ihrer markanten Art nahezu perfekt den Habitus ihres Machers widerspiegeln.

Auf den Etiketten liest man einfach zu merkende Bezeichnungen, anstelle manisch katasteramtiger Lagen-Kleinklein. Einen Wein von Markus Schneider macht man auch auf 10 bis 15 Meter Entfernung in den Regalen des Einzelhandels aus – genau wie im abendlichen Halbdunkel eines großstädtischen Restaurants. Dass es so sein soll, hat er gewusst, als er anfing, seine Weine in Flaschen zu füllen. Eine Instinkttat, denn Schneider ist als Person keineswegs so gestylt, wie das seine Flaschen vermuten lassen.

Aber natürlich ist gute Typographie allein kein nachhaltiges Rezept für den Erfolg der Weine Schneiders – ein gelungenes Design mag Kunden neugierig machen und Erstkäufe ermöglichen, doch Wiederkennbarkeit nutzt erst dann, wenn die Kunden auch ein zweites Mal kaufen. Dafür ist das entscheidend, was beim ersten Mal im Glas war. Schneiders Weine sind füllig, stoffig, kraftvoll – das gefällt vielen. Dezente Zurückhaltung und Eleganz sucht man vergeblich.

Schneider macht Weine für unbekümmerte Hedonisten.

Seine Erzeugnisse wollen nicht verstanden werden, sie sind zu verstehen. Nur ein Depp versteht Schneiders Weine und ihre simple Botschaft nicht - sie fordern die Kapitulation vor ihrer opulenten Lebensfreude. Mit dieser extrem genußorientierten Philosophie erreicht Schneider ein Publikum, weit größer als das der letztlich doch überschaubaren Weinfreak-Gemeinde.

Das gefällt freilich nicht jedem. Viele Weinkritiker, vor allem die selbst ernannten Hohenpriester, verachten die Arbeit von Markus Schneider, der ihrer Meinung nach vor allem Kellertechniker und nicht Bodenakrobat ist. Schneiders Weine mögen zwar dem Zeitgeist der Konsumenten entsprechen; dem Zeitgeist der deutschen Weinphilosophen entsprechen sie nicht. Dieser Zeitgeist favorisiert die Scholle. Und nicht Maschinenpark und Holzeinsatz.

Doch da tut man Markus Schneider unrecht, denn er pflegt seine Lagen um Ellerstadt (etwa Bubeneck, Nonnengarten und die berühmte Lage Kirchenstück) und keltert hier ein paar seltene Weißweine, die eine individuelle Terroirnote sehr wohl erkennen lassen. Vom Geschäft mit Lagenweinen kann man aber nicht diese marktrelevante Größe erreichen. Schneider wurde mit Rotweinen mächtig, die man bis zu seinem Auftauchen in Deutschland weder gekeltert noch getrunken hatte.

Der vielleicht bemerkenswerteste Rotwein Schneiders, das Einzelstück, fasst auch die avantgardistische Entwicklung gut zusammen, die das Weingut in den letzten 20 Jahren genommen hat.

Gekeltert wird das Einzelstück aus Blauen Portugieser, einer Rebsorte, die einem sicher nicht in den Sinn kommt, wenn von deutschen Spitzenrotweinen die Rede ist. Doch die Rebanlage, aus der die Trauben für das Einzelstück kommen, ist über 80 Jahre alt. Auch für den vermeintlich schwächlichen Blauen Portugieser gilt das Gleiche, was für Riesling oder Spätburgunder gilt: Alte Reben liefern Trauben von besonderer Konzentration und Würze. Das macht auch den banalsten Portugieser groß und mächtig.

„Wenn mein Vater damals das Geld gehabt hätte“, meint Markus Schneider, „wäre der Portugieser vermutlich heute ausgerissen und nicht mehr da“. Ein Glücksfall, dass er nicht dem Pfälzer Dornfelder-Wahn vergangener Jahrzehnte zum Opfer gefallen ist.

Für seine bekannten Rotweine hat sich Schneider die Sorten St. Laurent, Portugieser, Blaufränkisch, Merlot, Cabernet Sauvignon, Syrah, Cabernet Fanc, Cabernet Mitos und Cabernet Dorsa ausgesucht: Internationale und deutsche Sorten, neue Kreuzungen und alte Klone. Schneiders Rotweine sind die besten Massenprodukte des deutschen Weinbaus: immer erhältlich, nie verstörend und selbst in schwierigen Jahren – wie 2010 eines war – die Fassung wahrend. Unter den ersten Neupflanzungen nach der Übernahme des Weinguts 1996 waren auch Stöcke der Sorten Cabernet Fanc und Merlot. Heute finden sich die Trauben aus diesen Anlagen im Flaggschiff-Rotwein des Weinguts wieder, der Cuvée Steinsatz, die mit einem Tick St. Laurent abgerundet wird.  Nicht nur, um das Portfolio klassischer bordelaiser Rebsorten zu komplettieren, sind in den letzten Jahren noch ein Hektar Malbec sowie ein halber Hektar Petit Verdot hinzugekommen. Sie geben Schneider auch weitere Stellschrauben in die Hand, um flexibel auf die Anforderungen unterschiedlicher Jahrgänge reagieren zu können.

Markus Schneider hat den deutschen Rotwein massentauglich gemacht. Abseits von Spätburgunder, Dornfelder oder Trollinger. Schneiders national-internationalen Cuvées fegten alle Vorurteile über das Rotweinland Deutschland hinweg; bei mancher Blindverkostung gingen Schneiders Weine sogar als Kalifornier durch – viel Staunen und Gelächter nach der Aufdeckung.

Die Rotweine Schneiders mögen für das Bekanntwerden des Guts die entscheidende Rolle gespielt haben, die Weißweine jedoch sind kein geringerer Erfolg.

Neben der vollständigen Palette an Burgundersorten (Chardonnay, Weißburgunder & Grauburgunder) und der deutschen Pflichtrebsorte Riesling (unbedingt probieren: die „Alten Reben“) ist es vor allem der nach dem Maori-Wort benannte Sauvignon Blanc „Kaitui“, mit dem das Gut Aufmerksamkeit erregt. Letzte Erweiterung der Weinliste: „Bubbly“, ein 9 Monate auf der Flasche vergorener Chardonnay/Pinot Noir-Sekt.

Schneider hat eine neue Art Weintrinker geschaffen und an sich gebunden, Menschen, die keine Ahnung von Wein haben, ihn aber - dank Schneider - als Bereicherung ihrer Lebenskultur empfinden. Diese Menschen wissen nichts von der Bedeutung der Jahrgänge. Und auch nichts von den anderen Problemen, die man bei der Herstellung von Wein haben kann. Sie wollen auch nichts wissen. Aber sie kennen jetzt guten deutschen Wein. Und zumindest einen guten deutschen Winzer.

„2003 habe ich zum ersten Mal jene Weine machen können, die ich mir vorgestellt habe“, antwortet Schneider auf die Frage, wann er auf seinem Weg zum ersten Mal wirklich das Gefühl hatte, etwas erreicht zu haben. Im gleichen Jahr wählte ihn die Zeitschrift Feinschmecker zum Newcomer des Jahres. Inzwischen darf man Markus Schneider als arriviert bezeichnen, als angekommen, als der Elite des deutschen Weinbaus zugehörig. Schneider erzählt von der Präsentation seiner Weine während einer Kreuzfahrt der MS Europa: „Zwei von mir moderierte Weinproben waren geplant, am Ende waren’s sieben. Die Leute konnten nicht genug bekommen.“ Von der Palette seiner Weine war schon vier Tage vor Ende der Fahrt nichts mehr über. „Das ist denen noch nie passiert“, sagt Schneider mit deuticher Freude im Unterton. Es wird ihnen auch nicht mehr passieren. Da kann man sicher sein.

Von Torsten Goffin, Fotos: Andreas Volz

Dieser Artikel ist in Schluck - Identität - Ausgabe 1 erschienen.
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Über Torsten Goffin

Fotograf, Drehbuchautor sowie Wein- und Foodblogger sowie Craftbeer Fan Kenner. Torsten Goffin schrieb zahlreiche Drehbücher fürs TV (u.a. für Soko Köln) und betreibt seit 2011 der ausgesprochen lesenswerten Foodblog Allem Anfang.
Foto: Charlotte Schreiber

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