Der Piefke in Wien - Steve Breitzke über das harte Leben in Wien und Wachter Wiesler
Steve Breitzke ist einer der besten Sommeliers der Stadt. Und die Stadt heißt Wien. Folglich gilt ihm unser ganzes Beileid. Dafür erzählt er uns auch von einem großartigen Wein und dem dazugehörigen großartigen Winzer.
Winzer, die in der Erde wühlen. Das greifbare Terroir ist Christoph Wachters Sandkiste. Die gelbe Schaufel und das Eimerchen hat er uns verboten zu fotografieren.
Guten Morgen, Mittag, oder Abend. Oder in welcher Stimmung Sie sich auch immer befinden. Ich war Chefrangierer und auch Chefsommelier eines mehrfach ausgezeichneten Restaurants in Wien. Jetzt hab ich meinen eigenen Laden. Leider – und das leider gilt nur diese Sekunde, in der ich das schreibe – bin ich Bundesdeutscher. In Wien ist das Vorteil und Nachteil zugleich.
Man erkennt und schätzt mich (vor allem meine Arbeit), lässt mich aber niemals einen echten Wiener werden. Da kann ich mich mit dem Nachhilfeunterricht im Schimpfen noch so beeilen, für die Wiener bleib ich „der Piefke“. Nun gut, dann bin ich eben euer Piefke.
Um den Österreichern zu zeigen, was für geniale Winzer und super Weine sie haben, stelle ich hier jede Ausgabe einen Wein der „Ösis“ vor. So auch jetzt. Mir ist es eine Herzensangelegenheit, Ihnen heute einen meiner absoluten Lieblingswinzer vorzustellen. Ich kann mir zwar vorstellen, dass Sie in den letzten Geschichten hier schon sehr viel über das Burgenland gelesen haben und vor allem auch über die kleine Region Eisenberg. Und dass Sie jetzt sagen: Nicht schon wieder.
Aber verdammt noch mal: Das Zeug ist einfach zu gut und es gibt unfassbar viele gute Winzer dort unten, an der Grenze zur heißen Steppe der Puszta. Ich muss Ihnen heute den Betrieb der Familie Wachter-Wiesler vorstellen. Und Sie einladen, mit mir einen Schluck von dem Zeug zu nehmen, was die dort keltern. Es ist grandios!
Wachter-Wiesler ist nicht nur wegen der großartigen Weine ein grenzgenialer (nur zwei Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt) Betrieb, sondern auch deswegen, weil die gesamte Familie einen Rückzugsort geschaffen hat, der mit einem Buschenschank, einem Top-Restaurant (Superkoch: Stefan Csar, Supersommelier: Thomas Fassl) und der genialen Wohnothek (das sind kleine Holzhäuser, die ein Architekt gestaltet hat) beweist, was Zusammenhalt, Durchhaltevermögen und Heimat auf den Weg bringen können. Der Rückzugsort wird zum Offensivort des kulinarischen Glücks.
Der Rückzugsort wird zum Offensivort des kulinarischen Glücks.
Die Weinregion Südburgenland verläuft von Rechnitz im Norden bis nahe Güssing im Süden und ist mit knapp 500 Hektar das kleinste Weinanbaugebiet Österreichs. Von den 500 Hektar sind 180 Hektar mit Rebstöcken der regional dominierenden Rotweinsorte Blaufränkisch bestockt, von der Sie sicher noch nie etwas gehört haben – wenn Sie Biertrinker sind und noch nie einen Blick in diese Illustrierte gemacht haben. Soll ich jetzt einen Smiley hinsetzen, damit man die Ironie kapiert? Ach was, ich lass’ es.
Mitten in den sanfthügeligen Weinbergen von Deutsch Schützen, mit Blick auf den etwas steileren Eisenberg, liegen die Gründe der Wachter-Wiesler, die Grund genug sind, hier abzuhängen. Seit Generationen werden hier mit Bedacht Weine vinifiziert, die nicht der Moderne hinterherlaufen, sondern ihre südburgenländischen Wurzeln zeigen. Doch Vorsicht! Die Wachter-Wieslers sind keine konservativen Traditionalisten. Ganz im Gegenteil. Sie lassen nur nicht liegen, was hier seit langen Zeiten Bestand hat.
Das Terroir von Deutsch Schützen und Eisenberg wird von eisenhaltigen Lehmböden dominiert. In Kombination mit dem teilweise sehr heißen und trockenen pannonischen Klima wachsen die Trauben hier mit einer ganz eigenen Aromafülle heran. Am Eisenberg prägen dann auch noch Grünschiefereinschlüsse die Trauben, die für eine mineralische Würze sorgen, die mich oft an einen großen Syrah von der nördlichen Rhône erinnert: fleischig, saftig, mit Noten von Tabak und geselchtem Fleisch.
Christoph Wachter-Wiesler, der für viele Weine hier verantwortlich zeichnet, ist – welch Wunder – ein großer Fan der Weine von der Côte-Rôtie – etwa jenen der Domaine Jamet, wo man einen ähnlichen Stil forciert. Denn auch bei Jamet ist die Vorstellung vom idealen Herkunftswein jene, dass dieser durch Finesse, Eleganz und Länge besticht. Und nicht durch Opulenz und Volumen. Christoph arbeitet mit seinem Vater Franz, der ihn schon Weine gestalten ließ, als er noch zu Hause Schulaufgaben machen musste. Seine Praktika machte er in der Ferne. Etwa bei Lammershoek im südafrikanischen Swartland. Oder bei Dirk van Niepoort in Portugal.
Die haben ihm gezeigt, dass Herkunft und Typizität das Um und Auf im Weinbau sind. Und genau das schmeckt man heute in seinen Weinen – zuzüglich der immer deutlicher werdenden Handschrift, die am Ende die besonderen von den guten Winzern unterschiedet. Der Einstiegs-Blaufränkisch heißt Bela-Joska, und ist nach den Großvätern der beiden Familien benannt.
Der Bela-Joska: das ist Blaufränkisch geradeaus, unverziert, saftig, im Holz, aber kein Holz zu spüren und ordentlich Druck. Ich rate zum etwas älteren 2013er, denn der macht noch die nächsten Jahre locker ein „uadentliches“ Trinkvergnügen. Und das für unverschämt kleines Geld. Die Trauben des Bela-Joska kommen vom Eisenberg und aus den Lagen in Deutsch Schützen und werden von 20 bis 40 Jahre alten Rebstöcken geholt.
In der Blaufränkisch-Pyramide folgt dann der Ried Weinberg, der von Reben geerntet wird, die auf mittelschwerem bis schwer eisenhaltigem Lehmboden wurzeln. Die Rebstöcke sind mindestens 40 Jahre alt, garantieren also einen gewichtigen Wein, einen Saft mit eher erdigem Aroma, dunkel in der Frucht, kraftvoll und kräutrig (nicht mit krautig verwechseln) in der Würze und einer herzhaft stabilisierenden Säure.
Ich habe beim Niederschreiben des dort Erlebten gerade eine Fassprobe des 2014er im Glas und wer behauptet, das – sicherlich komplizierte – Jahr kann nix, den lache ich gerne öffentlich aus. Auch ohne Bezahlung. Für mich ist dieser 2014er Weinberg gerade der ideale Wein am Abend – leicht gekühlt zum Grillfleisch. Bitte schnell abfüllen und rüberschicken!
Jetzt zum Top-Wein der Wachter-Wieslers und so auch zu einem der ganz großen Blaufränkischen Österreichs und der Welt. Bei den Alten Reben Eisenberg bestimmt grüner Schiefer den meist kargen Boden der Reben und der bringt den Trauben die feinen Gerbstoffe und die saftige Säure. Ein Wein zum Reinlegen. Die Trauben des Alten Reben Eisenberg kommen logischerweise aus den besten Lagen, etwa aus der Lage Steinweg. Und sie kommen von 40 bis 80 Jahre alten Stöcken. Der Ausbau erfolgt – wie bei allen Blaufränkischen hier – in Holzgebinden ab 500 Liter. Also kein verschärfend eingesetztes, kleines Holz. Die 2014er Fassprobe zeigt sich freilich ein wenig verhalten – man könnte auch zum alten Sprachgebrauch zurückkehren und sagen: der Wein ist noch zu.
Doch schmeckt man schon heute – wie bei allen großen Herkunftsweinen – was da noch kommt. Saftige Sauerkirschen, mürbe Gerbstoffe, noch wenig Frucht, dafür ein salziger Abgang, der jetzt schon mit einer Länge ausgestattet ist, die mir sagt, dass ich mich anstrengen muss, den Wein zu überleben.
Nun noch schnell zum Blaufränkisch der Ried Ratschen aus 2014, eine Lage, die immer schon im Familienbesitz war, deren Trauben aber bislang ausschließlich in der Familliencuvée Julia (Christophs charmante Schwester) landeten. Die Reben sind 45 Jahre alt, der Wein präsentiert sich in der Fassprobe offen und gefällig und hat knapp unter 13 % Alkohol. Er ist kühl in der Nase, bringt rote Beeren auf den Gaumen, ist straff und hat wieder das für das Jahr auch typische, herzhafte Säuregerüst. Dazu kommen Anklänge von Jod.
Ein unglaublich guter und typischer südburgenländischer „Saufwein“ der Oberklasse. Doch halt! Fast vergessen: bei Wachter-Wiesler keltert man ja auch Weißweine. Etwa einen für die Region megaseltenen Weißburgunder. Den keltert man hier erst seit 2011 und was da auf die Flasche gebracht wird, ist einfach nur großartig.
Fernab von Primärfrucht und einer banalen Spritzigkeit, geht es hier in Richtung salziger Würze, herzhafter Säure und wenig Frucht. Ich lehne mich ja gerne mal weit aus dem Fenster und sage: Der 2014 Welschriesling Alte Reben Weiss ist einer der besten „Welsch“, den ich probiert habe. Das zeigt wieder mal, dass es keine schlechte Rebsorte gibt, wenn man gut mit ihr umzugehen weiß.
Text: Steve Breitzke, Fotos: Steve Haider