Restaurant Tantris - Finale der Ära Hans Haas

Hans Haas, der letzte seiner Art

Von Alexander Rabl

Hans Haas verlässt das Tantris. Überraschung? Natürlich nicht, der gebürtige Tiroler hat dem schönsten Restaurant Münchens, vielleicht sogar Deutschlands, fast drei Jahrzehnte als Küchenchef gedient. Eine Zeit also in einem Restaurant, in einer (kleinen) Küche verbracht, auf die nur wenige Köche verweisen können. Auch für den Rückzug nimmt er sich Zeit. Bis zum Jahreswechsel 2020/21 wird Hans Haas noch kochen. Anzunehmen ist, dass es um die Tische im Tantris während der letzten Monate ein noch größeres Gries geben wird als ohnehin üblich während der letzten Jahrzehnte.

Ich erinnere mich nur schemenhaft an meinen ersten Besuch im Tantris, es ist ein Vierteljahrhundert her, ich noch sehr jung damals, aber der perfekte Service ist mir im Kopf geblieben, das rammelvolle Lokal und die gute Stimmung dort, ebenso wie die Perfektion von Paula Bosch, die den Tantris-Novizen rasch und professionell mit zwei Halbflaschen-Empfehlungen abfertigte. Sehr gute Flaschen.

Zu essen gab es unter anderem Taube in einer Art Pot-au-Feu, wenn ich mich recht erinnere. Ein paar Jahre später aß ich im Sommer im kleinen Garten des Tantris eine Scheibe von der besten Tomate des Universums, darauf ein Stück gebratener Lachsforelle, lauwarm.

Je kürzer die Besuche zurückliegen, desto schärfer die Erinnerungen, an die köstlichen, perfekt balancierten Saucen, oder an den Steinbutt, gefüllt mit lauwarmem Eigelb, oder das saftige Lamm auf Artischockenboden, eines seiner Signatures, das es auch zu Haas‘ Abschiedsessen von der Journaille am vergangenen Donnerstag gab.

*Unverkennbar: Das von Hans Haas handgeschriebene Menu zur Pressekonferenz*

Ich erinnere mich an die herlichen Soufflés. Ich erinnere mich auch gut an Paula Boschs Nachfolger, den pfauenhaften Justin Leone, der dem Tantris aber nicht ewig erhalten blieb. Bei einem Gastauftritt in der portugiesischen Villa Joya bereitete Hans Haas ein Gericht aus Ei, Gänseleber und einer Sauce aus schwarzem Perigordtrüffel zu. Einer dieser Teller, die sich sofort ins Langzeit-Gedächtnis einfräsen, vergleichbar mit den Klassikern von Bernard Pacaud in der Pariser Ambroisie oder den Fischgerichten von Jörg Wörther.

Die Molekulargerichte junger portugiesischer Sterneköche, am kommenden Tag serviert, hatten gegen Haas wenig Chance.

*Hans Haas mit Souschefin Sigi Schelling*

Mit Hans Haas geht die Ära Witzigmann in Deutschland endgültig zu Ende. Nur wenige seiner Schüler sind noch selbst am Herd, Haas ist der letzte, der den Stil des alten Meisters draufhatte. Und seinem Restaurant Tantris gleichsam ein Zeitloch in einer von Rastlosigkeit und dem Ehrgeiz der Instagram-Szene geprägten gastronomischen Landschaft schenkte. Haas Küche ist eine Mischung aus Tiroler Herzhaftigkeit, in der Stilistik, nicht bei den Rezepten, bestens einstudiertem Handwerk, großer Saucenküche, und Freude an Weltläufigkeit, sowie dem Arbeiten mit "zugereisten Aromen" und den besten Zutaten, derer man weltweit und in der Umgebung Münchens habhaft werden kann. Klingt einfach, machen aber wenige, weil sie sich vornehmlich um die Präsentation am Teller und die Einsetzbarkeit ihrer in Spanien gekauften Alginate und anderer Pülverchen kümmern und erst später um das Geschmacksbild eines Gerichtes.

Die Chefin eines der wichtigeren Gourmetguides Deutschlands sagte mir einmal: „Wenn wir uns von den anstrengenden Menüs und Schäumen der High-Tech-Köche erholen wollen, gehen wir zu Haas ins Tantris.“ Wohin wird sie ab 2021 gehen, wenn sie Erholung braucht?

Ich muss jetzt bald nach München.

“*Nach einer kurzen Pause läuten wir im Tantris im Frühjahr 2021 einen kulinarischen Neubeginn ein. Eine Renaissance des Restaurants, die definitiv Tantris-like sein wird: überraschend und dennoch mit einer gewissen Kontinuität*“, versprechen Sabine und Felix Eichbauer.

v.l.n.r. Senior Chef Fritz Eichbauer, Felix Eichbauer, Hans Haas, Sigrid Eichbauer und Sabine Eichbauer

#Hans Haas - Das sympathische Original#

Über Alexander Rabl

Der Schluck Chefredakteur. Außerdem arbeitet Alexander Rabl als freier Autor für die Welt am Sonntag, Der Feinschmecker, A la carte, Die Presse und andere.

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